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Neuanfang nach 30 Jahren

Ein Arbeitsunfall bedeutet für Heike Graf das Aus. Doch mit einem beruflichen Training entdeckt sie ihre Fähigkeiten neu. Heute unterstützt sie Menschen in der Corona-Pandemie.

Kalendereintrag
Foto: Eine Frau blickt zufrieden aus dem Fenster

Und plötzlich ist alles anders: Wie sich das anfühlt, zeigt seit über einem Jahr die Corona-Pandemie. Bei geschlossenen Geschäften und Kultureinrichtungen müssen sich viele Menschen beruflich neu orientieren. Heike Graf (Name geändert) hatte diesen Weg schon vorher hinter sich: Die gelernte Kinderkrankenschwester hat über 30 Jahre in der Pflege gearbeitet. Bis zu jenem Arbeitsunfall 2015, bei dem ihre rechte Hand schwer verletzt wurde. An eine Arbeit in der Pflege war nicht mehr zu denken, Ärzte empfahlen ihr sogar die Frührente.

„Mit Ende 40 in Rente kam für mich nicht in Frage“, erzählt Heike Graf. Nach einer ersten Operation beginnt sie eine berufliche Rehabilitation und lernt im Einhandtraining an der SRH Berufliche Rehabilitation in Heidelberg, mit einer Hand am PC zu tippen. Doch weitere Operationen werfen sie zurück. Fünf Jahre lang kann sie nicht arbeiten, muss ihre Hobbys wie Squash oder Mountainbiken aufgeben. Dazu kamen finanzielle Probleme. „Das war eine psychisch sehr belastende Zeit. Ich wusste nicht mehr, was ich noch kann und ob es beruflich überhaupt weitergeht.“ Zu den gesundheitlichen Einschränkungen kam noch eine Depression.

Auf Empfehlung beginnt sie deshalb schließlich eine neue Reha im Beruflichen Trainingszentrum (BTZ) Mannheim. Das BTZ hilft Menschen wie Heike Graf dabei, nach einer psychischen Krise wieder Fuß zu fassen. „Die Teilnehmenden bekommen dabei Unterstützung im Tandem: Psychosoziale Ansprechpartner helfen dabei, die Erfahrungen zu verarbeiten und die eigenen Fähigkeiten wiederzuentdecken. Mit ihrem beruflichen Trainer finden die Teilnehmenden heraus, welche beruflichen Wege zu ihnen passen“, erklärt Standortleiterin Andrea Baltes das Konzept.

„Besonders die Einzelgespräche und der Austausch in der Gruppe haben mich aufgebaut“, sagt Heike Graf. Im beruflichen Training lernt sie EDV-Kenntnisse. Nach und nach kann sie sich wieder besser konzentrieren und immer komplexere Aufgaben bewältigen. In einem Bewerbungstraining frischt sie ihr Wissen zur Arbeitssuche auf.

Heike Graf lernt, ihre Fähigkeiten neu zu betrachten. „Ich kann zwar nicht mehr am Pflegebett arbeiten, aber ich kann beraten und anleiten, schließlich war ich auch Pflegeausbilderin und bringe die Geduld mit, Leute einzuarbeiten.“ Mit dem neu gewonnenen Selbstvertrauen begibt sie sich auf Jobsuche.

Seit September 2020 arbeitet Heike Graf im Gesundheitsamt in der Information und Kontaktnachverfolgung bei Covid-19-Fällen. Ihre jahrelange Erfahrung im Umgang mit erkrankten Menschen hilft ihr jetzt dabei, Infizierten die Angst vor der Quarantäne zu nehmen. Als Ausbilderin arbeitet sie auch gerne neue Kollegen ein.

Für sich selbst hat Heike Graf gelernt, im Alltag auf ihre Grenzen zu achten, aber gleichzeitig ihre Fähigkeiten neu zu entdecken. Der Grundstein dafür wurde durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BTZ gelegt. „Sie haben mich ernst genommen und gewusst, was ich kann, bevor ich es selbst gemerkt habe. Ich bin froh, dass ich diesen Weg geschafft habe.“